Hommage an Mark Rothko
elektronische Malerei von Daniela Butsch
In dieser Hommage gelingt Daniela Butsch eine ungewöhnliche Individualisierung des Blickes auf das Werk von Mark Rothko, einem der Hauptvertreter des amerikanischen Abstrakten Expressionismus. Rothkos künstlerische Entwicklung war geprägt von zunehmender Abstrahierung vom Gegenständlichen. Mit seinem Namen verbindet man heute vorrangig seine rechtwinkligen Kompositionen aus weichen Farb-Blöcken, welche in den 50er Jahren entstehen.
Der zur Charakterisierung von Rothkos Farbzonen immer wieder auftauchende Begriff der „Leuchtkraft“, welche der Künstler durch seine virtuose Nebeneinanderstellung und Übereinanderschichtung von Farbblöcken suggeriert, beschreibt die Wirkung von Rothkos Werken in einem fast impressionistischen Sinne: Was „leuchtet“, sind nicht die realen Farben, sondern die durch ihre Wahrnehmung verursachten Vorstellungen. Ein Bild von Rothko im Dunkeln ist perzeptiv nicht existent.
Butsch greift Rothkos Farb- und Formensprache auf, ist jedoch durch die Möglichkeiten ihres Mediums in der Lage, sowohl die beschriebene „Leuchtkraft“ als auch die meditative Entwicklung ihrer Werke aus dem Suggestiven in die Wahrnehmbarkeit zu transzendieren. Um den Preis des Bedarfs einer permanent erhöhten, organisierten Energiezufuhr (ohne Strom bricht die farbliche und zeitliche Komposition sofort zusammen) gewinnt die Künstlerin eine größere Gestaltbarkeit dieser Aspekte. Mit dieser Verlagerung der Meditation in das Wahrnehmbare wird vergleichsweise weniger offen gelassen und somit das Werk von Rothko durch den Wechsel des Mediums auf substanzielle Weise reflektiert. Die stete Wiederholung der geloopten Sequenz stärkt dabei die suggestive Kraft der Projektion, ähnlich der rauschhaften Wirkung einer Litanei.
Butsch potenziert nochmals die Vielschichtigkeit des Gesamtkunstwerkes, indem sie in der für sie typischen symbolischen Semantik als Projektionsfläche eine Kirche wählt. Die Transzendierung der Meditation wird hier nochmals auf eine metaphysische Vorstellungswelt übertragen. Auch eine Kirche stellt eine gestaltete Erfahrbarkeit eines kognitiven Universums dar, welches ohne diese Manifestierung ungleich schwerer kommunizierbar und gesellschaftlich erlebbar wäre.
So ist die Visualisierung von Butschs individueller Meditation über das Werk Rothkos als Projektion auf ein symbolisch aufgeladenes Gebäude – vergleichbar der Visualisierung von Traumwelten im Surrealismus – eine Externalisierung kognitiver Welten in das Wahrnehmbare. Butschs „electronic painting“ stellt jedoch nicht nur eine Würdigung des bedeutenden Abstrakten Expressionisten Rothko dar, sondern erweitert dessen Bedeutung durch die komplexen Implikationen des symbolischen Kontextes zum vollkommen eigenständigen Kunstwerk. Und auch hier findet sich auf der Metaebene der Bezug zu Rothko und seinem Credo: „We favor the simple expression of the complex thought.“
Anke Schuster, Kunsthistorikerin