Speed Manipulation

Speed Manipulation von Daniela Butsch

präsentiert auf der KLAK!05 vom 07. – 16. Oktober 2005
im Kunsttempel, Friedrich – Ebert – Str. 177, 34 119 Kassel

Daniela Butsch zeigt in ihrer Videoarbeit eine Aufnahme des Heck-Fahrwassers eines Fährschiffes zusammen mit den sich überlagernden Originaltönen der Motorengeräusche und des aufgewirbelten Wassers. Aufgenommener Schall und Wellenschlag sind dabei Überträger der gleichen Energiequelle, der Schiffsschrauben, jedoch in Übertragungsmedien unterschiedlicher Stofflichkeit: Luft und Wasser. Die Oszillation dieser Übertragungsmedien lässt Butsch verschiedene Be- und Entschleunigungen durchlaufen und erzielt mit dieser minimalistischen zeitlichen Stilisierung eine erstaunliche Wirkungstiefe.
Durch die formatfüllende Bewegung der Wasseroberfläche und das damit einhergehende Fehlen von Proportions- und Perspektivbezügen wird die räumliche Tiefe des Bildes verringert und damit die von Butsch angestrebte Zweidimensionalität ihres „electronic painting“ gestärkt. Die Strömungsdynamik des durch die Schiffsschrauben aufgewühlten Wassers verursacht entlang der Fahrrinne Zonen unterschiedlicher Reflektionen, Brechungen und Filterungen des Lichtes und ergibt eine vertikale farbliche Strukturierung des Bildes in Anthrazit- und Türkis-Töne, durchzogen vom Weiß der Gicht.

Aus einer ansprechend fließenden Farbkomposition wird unversehens ein extrem beschleunigter akustisch-visueller Prozessablauf und umgekehrt. Bild und Ton, die manchmal an einen Fernseher mit Empfangsstörung erinnern und durch welche Butsch den Betrachter aus einer einladenden Meditation herausreißt, rufen die technische Bedingtheit ihres Gestaltungsprozesses ins Bewusstsein. Nach einer Einführung in das Spektrum der Zeitdeformationen beendet Butsch die Sequenzen mit einem Dreischritt einer zunehmenden Entschleunigung. Der Ton als sensibelster Indikator für das Abspieltempo geht von einem tieffrequenten Rauschen über ein Geräusch an der Grenze des Übertragungsbereiches der Schallwandler und sackt dann in den unhörbaren Infraschall-Bereich ab. Das aufgewühlte Wasser gerinnt dabei zum scheinbaren Stillstand. Doch gleich einer Gesteinsformation, die sich nur in geologischen Zeiträumen verändert, ist der erreichte Aggregatzustand illusionär. Durch die vorhergehende Einweisung in den zeitlichen Gestaltungsablauf gelingt Butsch mit dieser entscheidenden Schlusssequenz ein konzeptuelles Kleinod: Die Möglichkeiten unserer perzeptiven Intuition sind begrenzt, wir können die extrem verlangsamte Veränderung nicht mehr wahrnehmen, aber wir wissen um diese. Ein Wissen von großem Assoziationsreichtum, legt es doch eine Gestaltbarkeit von Veränderungen nahe, die über den menschlichen Zeit- und Wahrnehmungshorizont hinausreichen.

Anke Taryn Schuster, Kunsthistorikerin